Angedacht

Liebe Leserin, lieber Leser.

Millionen von Menschen sind seit dem Mittelalter auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela gepilgert, geleitet von der Jakobsmuschel, dem Symbol des Weges. Ganz Europa ist von den historischen Routen der Jakobswege durchzogen. Aber - ist das nicht etwas für Katholiken? Die Faszination des Jakobswegs hält sich nicht an Konfessionen. Pilgern gehört zu den beliebtesten ökumenischen Projekten. Der Weg führt durch schöne Landschaften in Frankreich und Spanien, mit Bergen und Tälern, Ausblicken, kühlen Wäldern oder satten Ebenen.
Auch Bad Wörishofen liegt an einer Pilgerroute des Jakobswegs. Unser Jakobsweg kommt von Augsburg. Er läuft auf dem Ostweg durch das Unterallgäu und vereint sich in Bad Grönenbach mit der West-Route über Altusried Richtung Bodensee. Immer wieder kehren Pilger in unserer Erlöserkirche ein. Sie stempeln ihren Pilgerpass im Kirchenvorraum, hinterlassen Gebete an unserer Gebetswand und füllen ihre Wasserflaschen neu auf.

Der Pilgerweg braucht Pausen und Orte, an denen es gut ist, zu verweilen. Nicht nur die Beine können müde werden. Die Seele braucht Pausen, um mitzukommen. In den Kirchen am Rande der Jakobswege ist Raum für das Nachspüren. Welche Gedanken haben mich auf dem Weg bewegt, welche haben mich gebremst? Welche Fragen sind aufgetaucht? Der Autor von "Ich bin dann mal weg?" Hape Kerkeling entdeckte auf dem Weg mehr Fragen als Antworten. Sie sind so wertvoll und halten unsere Suchbewegung am Leben. Die Reisebuchschriftstellerin Carmen Rohrbach schrieb ihr Pilgerbuch "Muscheln am Weg" nach einer Fußreise, begleitet vom Esel Chocolat. Sie berichtet von einer außergewöhnlich intensiven Begegnung mit Land und Leuten. Im Literaturgottesdienst am 2. Juli erfahren wir mehr davon.

Was kann man über die spirituelle Erfahrung des Pilgerns erzählen? Viele sagen, die Sprache ist zu klein, um darüber zu reden. Nur Wortfetzen bleiben, ein Stammeln. „Mit Gott werde ich nie fertig.“ „Die Erde ist mein Los. Auf ihr gehe ich all meine Wege. Der Himmel ist mein Horizont.“ „Die Suche nach Gott wird mein Leben immer begleiten, bis zum Ziel.“ Oder kann man doch mehr erzählen?
Der Pilger Otto Schilling zeigt in der Fotoausstellung vom 2. – 21. Juli, was ihn beim Unterwegs-Sein berührt hat. Meditative Texte regen die Betrachter an, die Bilder noch tiefer auf sich wirken zu lassen. Außerdem spricht am 3. Juli der evangelische Theologieprofessor Traugott Roser authentisch und humorvoll über seine Erfahrung mit Gott auf dem Camino und sein Buch ¡Hola! bei Kilometer 410. Die menschlichen Begegnungen auf dem Weg waren es, die sich eingeprägt haben. Schließlich stellen wir noch die spirituelle Wanderung am 21. Juli unter die Überschrift Jakobspilgern. Auf gute Entdeckungen beim Pilgern! Bis wir uns sehen, grüße ich Sie mit dem Pilgersegen der Abtei Sain-Cugot in Vallés, Frankreich:

Im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Mögest Du an dein Ziel gelangen und nachdem du deinen Weg vollendet hast,
körperlich und geistig gesund zurückkehren.

Ihre Pfarrerin Tatjana Schnütgen