Aus dem Alltag gegriffen

Kampf der Hausgiganten

Sie leben – und da lasse ich mir nichts anderes einreden: Sie leben wirklich. Das, was man heute als KI bezeichnet, also als „Künstliche Intelligenz“, habe ich schon seit vielen Jahren bei mir zuhause.

Da ist der Staubsauger. Zugegeben: So recht froh werde ich mit ihm nicht, obwohl er ein kleines Vermögen gekostet hat. Mal saugt er zu heftig, mal zu wenig – und ab und zu saugt er gar nicht. Oder er murrt vor sich hin, brummt und kreischt. So, wie er eben will. Also: Der Staubsauger lebt!
Oder die Rührmaschine. Oft brauche ich sie nicht, doch wenn: Ja, dann hat sie so ihren eigenen Rühr-Kopf. Für mich nur rührend in der Hinsicht, dass Tränen der Rührung meine Augen verlassen und  hinabtropfen in die Rührschüssel. Spart zumindest Leitungswasser. Also: Die Rührmaschine lebt!
Oder die Waschmaschine. Welch ein Wunder der Technik und sicher ein Meilenstein in der Entwicklung der Haushaltshilfen, wenn ich überlege, wie in früheren Zeiten noch per Hand und Waschbrett mühsamst und unter Schmerzen die Schmutzwäsche gewaschen werden musste. Doch im Laufe der Maschinen-Evolution hat die Waschmaschine wohl ein wenig zu viel Eigenleben entwickelt und versucht sich nun, über den Bediener, also den Menschen, zu stellen. Mein Waschgerät jedenfalls bestimmt, was nach dem Waschen noch übrig ist. Speziell Socken fehlen immer wieder mal und sind auf unerklärliche Weise verschwunden. Wo? Ich möchte es eigentlich nicht wissen, sonst würde ich sicher nicht mehr meine Hand in die Waschtrommel halten. Also: Die Waschmaschine lebt!

Aber am schlimmsten von aller „künstlicher Intelligenz“ ist mein LG Gram, sprich: mein Laptop. Sein Eigenleben ist wohl nicht mehr zu übertreffen. Einschalten lässt er sich noch ganz normal. Und sein Bildschirm schmückt sich gleich von Beginn an mit den unterschiedlichsten Bildchen ferner Länder oder exotischer Pflanzen. Ein Augenschmaus. Doch mit zunehmender Laufzeit entwickelt sich diese KI und führt mich an der Nase herum. Markieren geht – oder auch nicht. Kopieren ebenfalls. Einfügen lässt sich so manches Mal Manches – oder auch nicht. Es stockt und ruckelt, es überspringt und löscht, es eilt davon und stoppt, es updatet und fragt nach. Doch gerade beim Nachfragen merke ich, wie selbstständig dieses kleine Ding ist, denn: Es gibt die Antwort gleich vor und jedes Abweichen davon führt zwangsweise zu Irritationen – natürlich nur bei mir, nicht beim Computer, denn der weiß immer genau, was er will und vor allem, wohin er mich haben will. Dorthin nämlich, wo alles Geld kostet. Denn nur so werden Wege frei gemacht und Barrieren weggeräumt. Ein gewiefter Geschäftemacher dieser künstliche Intelligenzler. Mehrmals schon habe ich ihm die Entsorgung angedroht, sie jedoch nie wirklich getan, weil ich dann alles verlieren würde, was meine eigene  Intelligenz zu einem wichtigen Teil ausmacht: Meine Vergangenheit mit allen Erinnerungen, die dort abgespeichert sind. Und so werden wir uns wohl vertragen müssen, mein zweites Ich und Ich. Schließlich habe ich einen ganz großen Trumpf in der Hand:

Der Klügere gibt nach – also gebe ich nach und bleibe so doch der Klügere!

Manfred Gittel