Von Kerstin Steinsberger am Sonntag Judika
Epistel Hebräer 5, (1 – 6) 7 – 9 (10)
1 Denn jeder Hohepriester, der von den Menschen genommen wird, der wird eingesetzt für die Menschen zum Dienst vor Gott, damit er Gaben und Opfer darbringe für die Sünden. 2 Er kann mitfühlen mit denen, die unwissend sind und irren, weil er auch selber Schwachheit an sich trägt. 3 Darum muss er, wie für das Volk, so auch für sich selbst opfern für die Sünden. 4 Und niemand nimmt sich selbst diese Würde, sondern er wird von Gott berufen wie auch Aaron. 5 So hat auch Christus sich nicht selbst die Ehre beigelegt, Hoherpriester zu werden, sondern der, der zu ihm gesagt hat: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.« 6 Wie er auch an anderer Stelle spricht: »Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.«
7 Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte; und er ist erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. 8 So hat er, obwohl er der Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. 9 Und da er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden,
10 von Gott genannt ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks.
Liebe Gemeinde,
die Predigt war schon fast fertig, ich hatte mich wie immer gut strukturiert vorbereitet. Mehrere Bücher mit Fachliteratur über den Hebräerbrief quer gelesen. Mir alle Fragen über Herkunft, Verfasser, wann wurde der Brief geschrieben und für wen, was ist das Ziel des Briefes herausgesucht. Es war mühsam und wurde immer mühsamer, sicherlich war alles gut recherchiert und richtig ausgelegt, aber was wollte ich mit all dem Sagen? Es war einfach lahm und langweilig und mir kam es so vor, alles schon mal gehört zu haben.
Ich klappte meinen Laptop zu und setzte mich aufs Fahrrad. Den Kopf durchlüften, vielleicht bekomme ich eine gute Idee von Gott geschickt.
Was spricht mich an diesem Predigttext an? Sind es die Worte Bitten, Flehen, laut Schreien und Tränen vergießen? Eine wissenschaftliche und theologische Abhandlung über Gehorsam? Nein darüber will ich sicherlich nicht reden.
Die unbequeme Frage in diesem Text taucht immer wieder vor meinem inneren Auge auf – weil er Gott in Ehren hielt!
- halte ich Gott in Ehren?
Wie ist es bestellt um meinen Glauben, wieviel Gott kommt in meinem Leben vor? Und wenn es kriselt warum?
Mir geht es bestimmt nicht anders wie vielen Menschen. Wann begegnet uns Gott und unser Glauben an ihn noch im Alltag?
Die Welt scheint wie aus den Fugen geraten zu sein. Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen, es ist zum Verzweifeln.
Demokratien scheinen immer weniger zu werden und Autokraten und Despoten übernehmen die Führung. Mit fast bewundernden Blicken schauten wir in diese Länder, angesichts der konsequenten Coronapolitik – mir drehts fast den Magen um, wenn ich solche Argumente höre. Finden wir es wirklich gut, wie Menschen in diesen Ländern leben?
Pandemien – Epidemien – Gasknappheit – Stromknappheit treiben uns vor sich her. Alles wächst uns über den Kopf. Am liebsten würden wir uns verkriechen, die Decke über den Kopf ziehen und nichts mehr hören und sehen wollen.
Und was macht die Kirche – die Gemeinschaft der Gläubigen – wir feiern jedes Jahr aufs neue das Kirchenjahr runter. Weihnachten – Ostern – Christi Himmelfahrt – Pfingsten – Ernte Dank. Wie wenn die Welt um uns herum nicht stattfinden würde. Vielleicht ist es das, was die Menschen scharenweise austreten lässt. Wir tun so, als ob Kirche eine Insel ist und haben uns in eine Nische zurückgezogen. Wir stellen traurig fest was passiert, aber tun wir auch was dagegen?
An Gott liegt es nicht, der ist da – es liegt also am Bodenpersonal.
Warum erreichen wir immer weniger Menschen?
Kinder taufen lassen ist nicht mehr Tradition. Viele Eltern haben die Meinung, das Kind sollte später selber entscheiden. Aber für was soll sich ein Kind oder ein Jugendlicher entscheiden, wenn Glauben nicht gelebt und praktiziert wird. Woher sollte das Wissen über den Glauben kommen?
Kirchliche Trauungen haben einen Event – Charakter bekommen. Das schöne weiße Brautkleid – riesiges Brimborium mit Musik, Fotograf und Blumenschmuck. Ist es den Brautleuten eigentlich überhaupt noch bewusst, vor wem sie sich das Ja-Wort geben? Wir als Kirche nehmen das hin und sind froh, dass Paare sich überhaupt noch für eine Trauung in der Kirche entscheiden.
Beerdigungen werden perfekt von Bestattern im rundum sorglos Packet angeboten plus freiem Trauerredner. Seelsorge findet zwischen dem Aussuchen der Sterbebildchen, der Zeitungsanzeige und der Musikauswahl statt. Wir bedauern das wieder sehr und sehen traurig dabei zu.
Und in diese Situation knallt dieser Predigttext mit dieser bohrenden Frage. Halte ich Gott in Ehren?
Wir Getauften sind sein Bodenpersonal, es ist an uns den Glauben weiterzutragen.
Wir können im Kleinen und Großen dazu beitragen Gott sichtbar zu machen.
In der Familie nachfragen, wann denn die Taufe stattfindet und wenn nicht warum nicht?
Bei Hochzeiten den Segen Gottes als höchstes Gut in den Mittelpunkt stellen und trotzdem keine Spaßbremse beim Feiern zu sein.
Im Todesfall den Trauernden zur Seite stehen, gemeinsam beten, zuhören.
Die Institution Kirche ist nur so gut wie ihre Mitglieder. Es ist an uns die enorme Verwaltung, mit zig Landeskirchenämtern, Kirchenkreisen, Dekanaten zu hinterfragen, die starre Hierarchie, die Zurückhaltung gesellschaftliche Themen anzusprechen kritisch zu überprüfen und klar Stellung zu beziehen.
Ist es wirklich notwendig um ein guter Pfarrer/Pfarrerin, lebensnah, menschenzugewandt, tolle Seelsorge, Kinderlieb, und und und zu sein, ein ellenlanges Studium mit Vikariat abzuleisten? Quereinstieg kaum möglich und irgendwie auch nicht erwünscht. Wo ist da der Wille und der Auftrag Gottes Wort unter die Menschen zu bringen, mit Menschen die für ihren Glauben brennen?
Bestimmt werden einige von ihnen protestieren und innerlich schon aufzählen was die Kirche alles gutes tut. Wie sie mit der Sea-Watch-4 Flüchtlinge im Mittelmeer rettet, in der Diakonie vieles bewirkt, alte und kranke Menschen mit Besuchsdiensten begleitet, viele Seelsorgeangebote anbietet und vieles mehr-
Verstehen sie mich nicht falsch – ich bin eine Verfechterin von Gottesdienst und allen Festen im Kirchenjahr, ich brauche das für mein spirituelles Leben und brauche die Erfahrung in unserer Gemeinschaft gemeinsam Glauben zu leben.
Wir, sein Bodenpersonal brauchen Kraft und Inspiration, darum soll und darf unser bekanntes, liebgewonnenes und traditionelles Gemeindeleben mit Gottesdiensten, Konzerten unterschiedlichsten Angeboten nicht sterben, nicht aufgegeben werden. Aber das ein nicht lassen und trotzdem nachzudenken und zu handeln ist unerlässlich.
Als Kraftquelle hat Gott uns Jesus Christus zur Seite gestellt. An ihm können wir uns ausrichten. Sein Lebensweg und seine Worte sind Antwort auf unsere Fragen. Er hat immer eine klare Haltung, eine klare Position, eine klare Wahrheit.
In einer Zeit, in der Meinungen mal so mal so sind, wir uns kaum noch zurechtfinden in dem Wirrwarr, ist die Klarheit des Evangeliums unser größtes Geschenk.
Daraus sichtbar in Familie, Freundeskreis, Gesellschaft zu leben ist unsere Aufgabe.
Und ich möchte nicht müde werden, ich will hell wach sein für Gott und für das, was er von mir will.
Darum trifft mich die Frage in unserem Predigttext mitten ins Herz.
Halte ich – halten wir Gott in Ehren?
Amen.